Fragen von Bildung und Erziehung in Grenzregionen stellen mit Blick auf das allgemeinbildende und berufsbildende Bildungswesen einen etablierten Forschungsschwerpunkt dar. Gerade Aspekte der interregionalen Begegnung, der transnationalen Vernetzung und Kooperation bilden in diesem Zusammenhang relevante Forschungs- und Praxisfelder.1 Europabildung als fachspezifischer und fächerübergreifender Schwerpunkt in Schule und Unterricht wurde bislang jedoch nur teilweise – komparativ und mit Fokus auf Grenzregionen – erforscht.2 Studien zeigen, dass Grenzregionen die in sie gesetzten Erwartungen vom Kristallisationsraum transnationalen Lernens und Kulturerlebens dabei allerdings häufig nur bedingt erfüllen. Während auf Ebene der politischen Kooperation unterschiedliche Strukturen und Kompetenzen der regionalen Gebietskörperschaften die Zusammenarbeit erschweren, wirken sich neben Sprachbarrieren und räumlicher Entflechtung insbesondere ein mangelndes grenzüberschreitendes Regionalbewusstsein sowie ein an nationalen Grenzen orientiertes Bildungserleben negativ auf die zivilgesellschaftliche Vernetzung von Jugendlichen und Erwachsenen aus. Dabei setzt insbesondere die Ausbildung eines interregionalen, grenzüberschreitenden Selbstverständnisses ein (inter)kulturelles Selbstbewusstsein voraus,3 wofür durch Europabildung und Europalernen wichtige Grundsteine über das gesamte Schulleben hinweg gelegt werden und die Auseinandersetzung mit europäischen Grenzregionen als Lebens-, Lern- und Erfahrungsräume angestoßen werden kann.4 Während das Grenzerleben von Grenzpendler:innen und in der Großregion ansässigen Unternehmen schon länger multiperspektivisch untersucht wird,5,6 stehen Kinder und Jugendliche selten im Zentrum der Grenzraumforschung. Auch zur Analyse der vorfindlichen bildungspolitischen, medialen, institutionellen, curricularen und materialen Rahmenbedingungen von Transregionalität und Europabildung liegen für Grenzregionen bisher nur wenige Studienergebnisse vor.7 Insbesondere zur Wechselwirkung von schulischem Erleben und dem Mindset von Schüler:innen hinsichtlich regionaler sowie (trans)nationaler Wahrnehmungen und Identitäten besteht bis dato ein Desiderat. Ebenso liegen bezüglich der Professionalisierung und des professionellen Lehrerhandelns in transnationalen Bildungsräumen zur Unterstützung europabezogener Kompetenzen bisher kaum Studien vor.8 Das Projekt Edu.GR widmet sich diesen Desideraten und rekonstruiert aus soziologischer, kulturwissenschaftlicher, (fach-)didaktischer und pädagogischer Perspektive die Fortbildungs-, Schul- und Unterrichtspraxis zur Europabildung in der Großregion.
1 Kirsch, C. & Mortini, S. (2016). Translanguaging als Lehr-Lernstrategie. Verfügbar unter: https://www.researchgate.net/publication/310589463_Translanguaging_als_Lehr-_und_Lernstrategie.
2 Busch, M., Frisch, J. & Wegner, A. (2019). Europa leben lernen. Apprendre à vivre l´Europe. Tagungsband. Universität Trier.
3 Schönwald, A. (2015). Alle an einem Strang? Zur Rolle von Identitäten und Stereotypen in der grenzüberschreitenden Kooperation. In C. Wille (Hg.): Lebenswirklichkeiten und
politische Konstruktionen in Grenzregionen. Das Beispiel der Großregion SaarLorLux. Bielefeld, 107-129.
4 Busch, M., Lis, T. & Teichmüller, N. (Hrsg.) (2017). Bildung grenzenlos vernetzen. Transnationale Bildungs- und Partons-landschaften in europäischen Grenzregionen.
Trebnitz.
5 Schönwald, A. (2015). Alle an einem Strang? Zur Rolle von Identitäten und Stereotypen in der grenzüberschreitenden Kooperation. In C. Wille (Hg.): Lebenswirklichkeiten und
politische Konstruktionen in Grenzregionen. Das Beispiel der Großregion SaarLorLux. Bielefeld, 107-129.
6 Belkacem, R. & Pigeron-Piroth, I. (2012). Le travail frontalier au sein de la Grande Région. In R. Belkacem & I. Piperon-Piroth (Hrsg.): Le travail frontalier au
sein de la Grande Région Saar-Lor-Lux. Pratiques, enjeux et perspectives. Nancy, 5-45.
7 Lorig, W., Regolot, S. & Henn, S. (Hrsg.) (2015). Die Großregion SaarLorLux. Politischer Anspruch, Wirklichkeiten, Perspektiven. Wiesbaden.
8 Oberle, M. (Hg.) (2015). Die Europäische Union erfolgreich vermitteln. Perspektiven der politischen EU-Bildung heute. Wiesbaden.
Das Projekt Edu.GR verortet sich in der transnationalen Schul- und Bildungsforschung und erhebt exemplarisch den Ist-Zustand transnationaler Europabildung in der Großregion als europäische Grenzregion hinsichtlich der bildungspolitischen Rahmenbedingungen, Strukturen und dem Praxishandeln der Bildungsakteur:innen, ihrer Einstellungen zu Europabildung und transnationalem Lernen sowie die Auswirkungen auf transnationales Erleben und Handeln der Lehrenden und Lernenden. Nachfolgend werden die Teilstudien skizziert, welche im Rahmen des interdisziplinären Forschungsprojekts durchgeführt werden.
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